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Stottern - was ist das?

In der Fachwelt wird Stottern als Störung des Redeflusses definiert, deren Symptomatik sich auf sprachlicher, motorischer, gefühlsmäßiger, gedanklicher und sozialer Ebene in unterschiedlicher Art und Ausprägung äußern kann.

Stottern: sprachliche Ebene

  • Blockierungen von Lauten [z.B. "ich heiße (------- gepresste Pause) Peter"]
  • Wiederholungen von Lauten (z.B.: a-a-a-a-anfangen) oder Silben (si-si-si-si-sitzen)
  • Dehnungen von Lauten (z.B. aaaaaaber)
  • Verwendung von Ersatzwörtern, die gegen ein vermeintlich gestottertes Wort ausgetauscht werden (z.B. "Ich fahre mit dem A-a-a-a --- Wagen!" (beabsichtigt war das Wort "Auto")
  • Verwendung von Füllwörtern (z.B. ähm, ja, also)

Stottern: motorische Ebene

  • Anspannungen im Gesichts-, Kiefer-, Hals-, Brust bzw. Bauchbereich
  • Mitbewegungen bestimmter Körperteile (Kopf-, Oberkörper-, Arm- bzw. Beinbewegungen)
  • Atemauffälligkeiten (starke Einatmung, Vorschieben von Atemluft bzw. Sprechen auf Restluft)

Aber Stottern ist viel mehr als das, was man hört oder sieht. Gerade die nicht eindeutig sichtbaren Anteile des Stotterns (Gefühle und Gedanken) stellen für viele Betroffene meist eine viel größere Belastung dar als das "eigentliche" Stottern. Dazu zählen auch bestimmte Verhaltensweisen, die für Außenstehende nicht immer auf das Stottern zurückzuführen sind (siehe unten: "Soziale Ebene").

Stottern: gefühlsmäßige und gedankliche Ebene

  • Angst oder Scham vor bestimmten Sprechsituationen (Telefonieren, Ansprechen Fremder, mündliche Mitarbeit/Referate in der Schule bzw. Kundengespräche auf der Arbeit)
  • Gefühle der Hilflosigkeit und Frustration
  • Grübeln darüber, wie stark das Stottern in bestimmten Sprechsituationen wohl sein und wie der Gesprächspartner reagieren wird bzw. wie man diesen Situationen aus dem Weg gehen kann
  • Selbstabwertende Gedanken (z.B.: Befürchtung aufgrund des Stotterns weniger akzeptiert und nicht ernst genommen zu werden)
  • Negative Gedanken hinsichtlich der weiteren privaten und beruflichen Zukunft

Stottern: soziale Ebene

  • Sprachlicher Rückzug (in bestimmten Situationen bzw. bei einzelnen Personen weniger sprechen)
  • Vermeidung von Sprechsituationen (z.B.: Telefonieren, Ansprechen Fremder)
  • Stottern als Tabuthema: Versuche, möglichst unauffällig zu bleiben und nicht als Stotternder enttarnt zu werden
  • Schwierigkeiten, neue Bekanntschaften/Freundschaften und soziale Freizeitaktivitäten zu finden

Stottern: was sind die Ursachen?

Zahlreiche Fragen nach der Ursache des Stotterns sind noch ungeklärt. Man weiß jedoch, dass es nicht die eine Ursache gibt, sondern dass mehrere Faktoren zur Entstehung des Stotterns beitragen. Auch wenn belastende Erlebnisse in der Kindheit (Unfall, Trennung der Eltern usw.) Auslöser für den Beginn des Stotterns sein können, dürfen sie nicht als eigentliche Ursache verstanden werden. Genauso wenig entsteht Stottern durch "Erziehungsfehler" der Eltern. Die häufig mit Stottern einhergehenden psychosozialen Belastungen sind somit als Folge und nicht als Ursache des Stotterns zu sehen.

Aktuelle Forschungsergebnisse zur Entstehung des Stotterns zeigen, dass

  • Stottern familiär gehäuft auftritt. Dies deutet auf erbliche Faktoren hin.
  • Stottern nicht im eigentlichen Sinne vererbt wird, es also kein spezielles "Stotter-Gen" gibt. Vielmehr wird nur die Veranlagung zum Stottern, also die Wahrscheinlichkeit, ob Stottern auftritt oder nicht, weitergegeben.
  • bei Stotternden bestimmte Veränderungen im Gehirn vorliegen. Sprechen ist ein hochkomplexer Vorgang, bei dem über 200 Muskeln beteiligt sind, die alle vom Gehirn zur richtigen Zeit aktiviert und gesteuert werden müssen. Dafür sind bei den meisten Menschen bestimmte Bereiche in der linken Hirnhälfte verantwortlich. Dort liegen bestimmte Gebiete und Nervenbahnen, die für den reibungslosen Ablauf des Sprechvorgangs zuständig sind. Diese sind bei Stotternden weniger gut ausgebildet als bei Normalsprechenden. Man kann somit von einer „anatomischen Schwäche“ ausgehen, die vermutlich zu Entstehung und Aufrechterhaltung des Stotterns beiträgt.

Auch wenn sich die aktuelle Forschung schwerpunktmäßig auf neurologische Erklärungsansätze konzentriert, spielen sicherlich auch andere Faktoren, wie z.B. soziales Umfeld, sprachliche Entwicklung oder individuelle Anforderungen bei der Entstehung des Stotterns eine Rolle.

Weitere Informationen zur Ursachenforschung und Theorien zur Entstehung des Stotterns finden Sie übersichtlich und leicht verständlich zusammengefasst in Natke, U. (Hrsg.) (2013): Wissen über Stottern. Neuss: Natke-Verlag.

Stottern: weitere Fakten

  • Stottern kommt in allen Ländern und Kulturkreisen vor.
  • Ca. ein Prozent der Weltbevölkerung ist betroffen (= ca. 820.000 Stotternde in Deutschland). Überwiegend treten die ersten Symptome während der Sprachentwicklung in der Alterspanne von zwei bis fünf Jahren auf. Bei einigen liegt der Beginn des Stotterns im Grundschulalter, bei wenigen auch später. Nur in sehr seltenen Fällen beginnt das Stottern im Jugend- und Erwachsenenalter.
  • Ca. fünf Prozent aller Kinder sind vorübergehend während ihrer Sprachentwicklung von Stottern betroffen, bei der Mehrheit verschwinden die Symptome auch ohne Therapie wieder ("spontane Heilung").
  • Die Wahrscheinlichkeit einer solchen spontanen Heilung verringert sich mit Eintritt in die Pubertät erheblich. Daher ist Stottern im Jugend- und Erwachsenenalter in der Regel nicht heilbar, aber sehr positiv veränderbar.
  • Jungen sind im Durchschnitt viermal häufiger von Stottern betroffen als Mädchen.

Neurogenes & psychogenes Stottern

Während das „herkömmliche“, sogenannte idiopathische Stottern erstmalig im Kindes- und Jugendalter auftritt, entstehen das neurogene sowie psychogene Stottern zumeist im Erwachsenenalter. Ursache hierfür ist eine Schädigung des zentralen Nervensystems (Schlaganfall o.a.) bzw. eine psychische Störung (traumatisches Ereignis o.a.). Beide Formen treten verhältnismäßig selten auf, sind nur sehr wenig erforscht und gelten als therapeutisch schwer beeinflussbar.

Im Rahmen der Bonner Stottertherapie werden auch Patientinnen und Patienten mit neurogenem bzw. psychogenem Stottern erfolgreich behandelt. Unsere Erfahrungen zeigen, dass auch in diesem Bereich durch einen sehr intensiven und individuellen Zugang sehr gute Therapieerfolge möglich sind. Diese beziehen sich sowohl auf die Zunahme von Sprechflüssigkeit als auch auf den Abbau der psychosozialen Belastung in allen alltäglichen Bereichen.

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